Offenbarung Kapitel 1

Autor: Matthias Germann


Einleitung | Thema des Buches (1,1-3)

1 Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gab, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss; und durch seinen Engel sendend, hat er es seinem Knecht Johannes gezeigt, 2 der bezeugt hat das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi, alles, was er sah.

V 1 | Wie oben bereits erwähnt, geht es in der Offenbarung nicht darum, dass alles verhüllt und versiegelt ist, sondern im Gegenteil: Es geht um eine Enthüllung, um die Wegnahme dessen, was verhüllt ist. Das Wort "Offenbarung" oder griechisch „Apokalypsis” bedeutet „Enthüllung”, „Wegnahme der Hülle” oder auch „Offenbarung von Verborgenem”. Die Offenbarung wurde dem HERRN Jesus Christus von Gott dem Vater gegeben, welcher sie durch einen Engel zu Johannes sandte, der sie dann Seinen Knechten weitergab.

Im nächsten Teil des Verses wird der Grund für diese Offenbarung angegeben: „um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss“. Es geht um Gläubige, die sich auf den HERRN Jesus Christus berufen, Ihm nachfolgen und Seinem Wort gehorsam sind. Auch wenn die Gemeinde vor der Trübsalszeit entrückt werden wird, soll der Gläubige wissen, was geschehen wird. Dies soll sie ermutigen, am HERRN festzuhalten und auszuharren. Gleichzeitig soll gezeigt werden, dass Gott gerecht und heilig ist und Ungerechtigkeit und Sünde bestrafen muss.

3 Glückselig, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe.

V 3 | Dieser Vers beginnt mit einer grossen Verheissung. Wie so oft in der Bibel steht jedoch nicht nur die Verheissung da, sondern sie ist gekoppelt an eine Bedingung, an eine Aufforderung, etwas zu tun. Wenn der Gläubige „glückselig” sein will, dann heisst es weiter, soll er die Worte der Bibel lesen, hören und bewahren. Man kann sich Glückseligkeit nicht einfach zu eigen machen. Nein, es gehört mehr dazu. Es geht um die Umsetzung des Gehörten. Ein Knecht des HERRN ist ein Hörender. „Glückselig” bedeutet, im höchsten Mass gesegnet zu sein. Was für ein Zuspruch! Wem wird diese Glückseligkeit versprochen? Sie gehört dem, „der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist”. Dieser Zuspruch, glückselig zu sein, wird nur im Buch der Offenbarung so direkt verheissen (vgl. Offb 1,3; 14,13; 16,15; 19,9; 20,6; 22,7.14). Welch eine Tragödie spielte sich im Garten Eden ab, als der Mensch sich vom Wort Gottes abwandte, den Worten des Teufels lauschte und sich darauf einliess. Nicht nur die ersten Menschen, sondern wir alle sind stolz und wollen unser eigenes Leben führen (vgl. Gen 3,6). Aber es geht um das Wort Gottes und die Unterordnung unter diesen über alles erhabenen höchsten Gott. Wie Paulus in den Pastoralbriefen immer wieder deutlich aufzeigt, ist es sehr wichtig, die gesunde Lehre des Wortes Gottes zu bewahren. Jesus selbst betonte das Bewahren seiner Worte ebenfalls sehr deutlich.

"Ja, vielmehr glückselig, die das Wort Gottes hören und bewahren!" (Lk 11,28)

"Bewahren" bedeutet, etwas behüten oder beschützen, sorgfältig achtgeben, nicht verlieren, Festhalten. Die Bibel betont immer wieder die Wichtigkeit des Bewahrens und Festhaltens (Vgl. 1Tim 6,20; 2Tim 1,13; Offb 3,10. 14,12. 22,9; usw.).

Verfasser, Empfänger und Urheber | (1,4-6)

4 Johannes den sieben Versammlungen, die in Asien sind: Gnade euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind,

V 4 | Der Verfasser bzw. Schreiber ist Johannes. Er hatte diese Offenbarung, die ihm ein Engel gab, aber von Gott stammte (Vgl. 1,1). Johannes beschreibt konkret, an wen dieser Brief gehen soll. Mit den „sieben Versammlungen, die in Asien sind” will er eine Vollzahl aufzeigen. Diese Briefe (Sendschreiben) wurden zuerst an diese sieben Gemeinden geschickt und sicher auch von den anderen Gemeinden in dieser Gegend mit Interesse gelesen (zum Beispiel Kolossä, Hierapolis, Troas …). Die Sendschreiben haben ihre Gültigkeit über die damalige Zeit hinaus; sie sind für alle Gemeinden in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bis zur Entrückung gültig. Die Mahnungen, die Jesus an die sieben Gemeinden richtete, sollten dazu dienen, dass sich jede Gemeinde immer wieder anhand dieser Kriterien prüft.

Als Erstes beschrieb Johannes Gott, den Vater, mit den Worten: „dem, der da ist und der da war und der da kommt“. Er ist der Ewige, der Ewigseiende, der Dabeiseiende. Als Mose die Begegnung mit dem HERRN am Dornbusch hatte, stellte sich ihm der HERR als „Ich bin” vor (Vgl. Ex 3,14).

Der Heilige Geist wird folgendermassen beschrieben: „Von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind”. Die Zahl „sieben” steht hier wieder für die Fülle des Geistes (Vollkommenheit und Vollständigkeit). Dies erinnert an die entsprechende Stelle in Jesaja. Dort wird die Vollkommenheit des Heiligen Geistes beschrieben.

"Und auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Kraft, der Geist der Erkenntnis und Furcht des HERRN;" (Jes 11,2)

Hier werden sieben Eigenschaften des Heiligen Geistes beschrieben, die Gottes Allmacht und Weisheit widerspiegeln. Der Geist Gottes steht "vor dem Thron" Gottes, der für seine Herrschaft, Allmacht und Autorität steht. Das Wort "Thron" erscheint über 40-mal in der Offenbarung.

5 und von Jesus Christus, der der treue Zeuge ist, der Erstgeborene der Toten und der Fürst der Könige der Erde! Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut

V 5 | Nachdem Johannes Gott den Vater und den Heiligen Geist beschrieben hat, kommt er nun zu Jesus Christus. Jesus wird hier mit seinem Wirken und Wesen beschrieben. Jesus war auf der Erde „der treue Zeuge”. Er wurde geboren, um in die Welt zu kommen und die Wahrheit zu bezeugen. (Vgl. Joh 18,37) Als Pilatus Jesus fragte, was Wahrheit sei, antwortete dieser, dass er in die Welt gekommen sei, um „für die Wahrheit Zeugnis“ abzulegen. Jesus war treu bis in den Tod, ja bis zum Tod am Kreuz (Vgl. Phil 2,8).

„Der Erstgeborene der Toten“ drückt Seinen Sieg über die Sünde aus. Er starb den Tod eines Verfluchten am Kreuz, doch die Kraft Gottes erweckte Ihn von den Toten. Der Titel „Erstgeborener” zeigt Seine Vorrangstellung (Vgl. Kol 1,18) und Seine überragende Grösse auf. Ein weiterer Aspekt des „Erstgeborenen“ zeigt sich darin, dass Er in der ersten Auferstehungsordnung der Erstling ist. Er ist die Erstlingsfrucht der ersten Auferstehung.

Weil Jesus die Menschen liebt, hat er sie durch Sein Blut von der Sünde befreit. „Dem, der uns liebt“, Jesus hat den Menschen zuerst geliebt, noch bevor der Mensch Ihn erkannt und angenommen hat. Was für ein genialer und grosser Gott Er ist!

6 und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

V 6 | Gottes Liebe hört nicht bei der Erlösung auf, sondern führt Gläubige in einen neuen Stand: Sie werden zu einem königlichen Priestertum gemacht. Das Königtum bedeutet Gemeinschaft im Reich Gottes, während das Priestertum für ein Leben im Lob, in der Anbetung und im Dienst für Gott steht. Johannes reagiert auf das Erlösungswerk Jesu mit einer Doxologie, einem Lobspruch, der Gottes Herrlichkeit preist. „Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.” Dieses „Amen” bekräftigt die Wahrheit des Gesagten. Solche Lobpreisungen wiederholen und steigern sich mehrfach in der Offenbarung (Vgl. 1,6; 4,8.11; 5,12.13; 7,12).

Zweites Kommen des HERRN Jesus Christus | (1,7-8)

7 Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch die, die ihn durchstochen haben, und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme des Landes. Ja, Amen.

V 7 | Jetzt blickte Johannes in die Zukunft und spricht von Jesus Christus als dem Kommenden (1,4). Hier beschreibt er das zweite Kommen des HERRN Jesus Christus in Macht und Herrlichkeit nach der Trübsalszeit. Dabei geht es nicht um die Entrückung, sondern um Sein zweites Kommen auf diese Erde als Richter und König. Bei der Entrückung kommt Jesus für die Gläubigen, die Ungläubigen werden Ihn nicht sehen. Bei Seinem zweiten Kommen hingegen kommt er mit den Gläubigen auf die Erde. Das zweite Kommen des HERRN Jesus ist ein zentrales Thema in der Offenbarung wie auch bei vielen Propheten im AT. Die Offenbarung beschäftigt sich mit den Ereignissen, die zu Seinem zweiten Kommen führen. Dieses Ereignis findet nach der grossen Trübsalszeit, den letzten sieben Jahren (70. Jahrwoche nach Daniel 9), statt.

Johannes beschreibt, wer Ihn sehen wird. Die erste Gruppe wird mit der Aussage „jedes Auge wird ihn sehen” beschrieben. Dies beinhaltet alle Völker der Welt, sowohl die Nationen als auch die Juden. Bei der zweiten Gruppe spricht er von denen, „auch die, welche ihn durchstochen haben”. Damit sind die Menschen gemeint, die direkt an dem Verbrechen des Todes von Jesus Christus beteiligt waren.

Bei Seinem ersten Kommen in Bethlehem wurde er nur von den Hirten, den Juden und einigen Menschen aus anderen Völkern erkannt. Bei der Entrückung wird Ihn niemand sehen; nur die Gläubigen werden zu Ihm hin entrückt. Bei Seiner Wiederkunft (zweiten Kommen) hingegen werden Ihn alle sehen. Auch nach dieser Wahrheit schliesst Johannes mit einem „Amen”. Es wird unwiderruflich eintreffen.

8 Ich bin das Alpha und das Omega, spricht der Herr, Gott, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.

V 8 | Nach dem herrlichen Zeugnis des Johannes über Jesus wechselt der Sprecher. Es ist „der HERR, Gott” selbst, der über sich spricht und sich somit als der „Allmächtige” offenbart.

Jesus stellte sich hier als „das Alpha und das Omega” vor. Im griechischen Alphabet sind dies der erste und der letzte Buchstabe. Damit sagte Jesus, dass Er der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte ist.

Was du gesehen hast | Teil 1

Die Erscheinung der Herrlichkeit von Jesus Christus (1,9-20)

Nach der Einleitung, in der Johannes den Urheber der Offenbarung (natürlich auch der ganzen Bibel) vorstellt und das Erlösungswerk Jesu Christi darlegt, endet er in einem wunderbaren Lobpreis. Nun beginnt die eigentliche Offenbarung.

Umstände der Vision – Was Johannes hörte | 1,9-11

9 Ich, Johannes, euer Bruder und Mitteilhaber an der Bedrängnis und am Königtum und am Ausharren in Jesus, war auf der Insel, die Patmos genannt wird, um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen.

V 9 | Johannes identifizierte sich mit seinen Brüdern aus der Provinz Asia, die von den Römern verfolgt wurden. Wir erkennen die Demut, mit der Johannes sein Leben mit dem HERRN führte. Er betitelte sich nicht als Apostel und Geliebter des HERRN, sondern als „Mitteilhaber an der Bedrängnis … in Jesus”. Unter dem grausamen Kaiser Domitian breitete sich die Verfolgung bis in die heutige Türkei (Provinz Asia) aus. Für Johannes muss es eine schwierige Zeit gewesen sein, auf der Insel Patmos zu leben. Er war gefangen und musste unter widrigen Umständen Sklavenarbeit verrichten. Dies war für den über neunzigjährigen Mann Gottes sehr belastend. Die Botschaft des „Ausharrens” war für die verfolgten Brüder ein Trost und eine Ermutigung.

           

10 Ich war an des Herrn Tag im Geist, und ich hörte hinter mir eine laute Stimme wie von einer Posaune,

V 10 | Johannes empfing seine Vision „am Tag des Herrn“, dem Sonntag, an dem die frühe Christenheit die Auferstehung Jesu feierte. Obwohl er in Gefangenschaft war und nicht mehr zur Gemeinde in Ephesus gehen konnte, sehnte er sich nach Gemeinschaft und Gottesdienst. Überlieferungen zufolge wurde er im hohen Alter sogar getragen, um mit den Geschwistern zu feiern. Auch aus der Ferne betete er für die Gemeinden und sorgte sich um sie. Gerade an diesem besonderen Tag offenbarte sich ihm Gott, zeigte ihm den geistlichen Zustand der Gemeinden auf und beauftragte ihn, dies in Briefen niederzuschreiben (Vgl. Off 1,11).

Er „hörte hinter sich eine laute Stimme wie von einer Posaune”. Gott spricht laut, deutlich, ernsthaft und verständlich. Alle werden Ihn hören und verstehen. Es war nicht die Stimme des guten Hirten, der ihm vor 60 Jahren immer wieder erschienen war und dem er gefolgt war (Vgl. Joh 10). Johannes war der Jünger, den Jesus liebte. Er kannte ihn ganz besonders in seiner Liebe, Gnade und Erniedrigung hier auf der Erde (Vgl. Phil 2,5–11). Diese Stimme hier war ein Kontrast zu der, die Johannes so gut kannte. Sie kam ihm zwar bekannt und vertraut vor, klang aber „wie von einer Posaune”. Hier ist es nicht mehr der gute Hirte, sondern der zu fürchtende Richter (Vgl. 1,12–17).

11 die sprach: Was du siehst, schreibe in ein Buch und sende es den sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea!

V 11 | Diese Stimme die Johannes wie eine Posaune hörte, sprach zu ihm: "Was du siehst, schreibe in ein Buch". Johannes sollte alles aufschreiben damit die Gemeinden in Asia, aber auch alle Gemeinden (zu allen Zeiten und an allen Orten) von Pfingsten bis zur Entrückung, dies hören, lesen und bewahren können (Vgl. 1,11.19; 2,1.8.12.18; 3,1.7.14; 14,3; 19,9; 21,5). Mit den Worten "Was du siehst, schreibe in ein Buch …", beginnt der erste Hauptabschnitt der Offb (Vgl. Einteilung in 1,19). Hier handelt es sich um den Abschnitt "was du gesehen hast". Er sah den verherrlichten Sohn Gottes in Seiner Herrlichkeit.

Inhalt der Vision – Was Johannes sah | 1,12-16 - Den verherrlichten Menschensohn Jesus Christus

12 Und ich wandte mich um, die Stimme zu sehen, die mit mir redete, und als ich mich umgewandt hatte, sah ich sieben goldene Leuchter,

V 12 | Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem Johannes sich umdrehte und den HERRN Jesus Christus in Seiner Herrlichkeit sah. Zunächst sah er die „sieben goldenen Leuchter”. Dann erst nahm Er den wahr, der inmitten der Leuchter stand. Wie wichtig ist doch der Zustand der Gemeinden in dieser Welt! Sie sollen gesehen werden (Mt 5,15). Wenn man das auf die einzelnen Gemeinden herunterbricht, wird die grosse Aufgabe und Verantwortung deutlich, die jede Gemeinde in ihrer Umgebung hat. Unser Zeugnis, das wir in die Welt hinaustragen, zeigt, welchen Platz Jesus in der Gemeinde hat.

13 und inmitten der Leuchter einen gleich dem Sohn des Menschen, angetan mit einem bis zu den Füssen reichenden Gewand und an der Brust umgürtet mit einem goldenen Gürtel;

V 13 | Johannes erkennt, dass „inmitten der Leuchter“ jemand wandelt, der „gleich dem Sohn des Menschen“ ist. Das Wort „gleich“ bedeutet in diesem Fall „derselbe wie“ oder „kein Geringerer als“. Für den Ausdruck „Menschensohn” verwendet er die gleiche Formulierung wie Daniel, der Jesus bei Seinem zweiten Kommen auf die Erde so beschrieben hatte (Vgl. Dan 7,13–14).

Jesus wird in der Offenbarung mit einem langen Gewand bis zu den Füssen beschrieben. Dies ist ein Symbol für Seine priesterliche und richterliche Würde. Der goldene Gürtel steht für göttliche Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit (Vgl. Jes 11,5). Das Umgürtet sein zeigt Ernsthaftigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Während man im Judentum zu Hause nur das Unterkleid trug, waren Gürtel und Obergewand in der Öffentlichkeit Zeichen von Vorbereitung und Würde. Hier wird nicht der sich entkleidende Jesus vorgestellt, der Seinen Jüngern diente (Vgl. Joh 13,4), sondern der Hohepriester und Richter in göttlicher Autorität.

"In der Beschreibung der Herrlichkeit Christi sehen wir sowohl priesterliche als auch königliche Züge. Das lange Gewand erinnert an das hohepriesterliche Gewand „zum Schmuck“ (2Mo 28,2); das Wort wird in der LXX nur für dieses Gewand gebraucht. Zu den Aufgaben des Hohenpriesters gehörte es auch, Richter zu sein (2Mo 28,30), wie es zu denen des späteren Königs gehörte. Der hochsitzende Gürtel zeigt die hohe (priesterliche oder königliche) Stellung an, umgürtete Lenden dagegen Dienstbereitschaft (Lk 12,35). Nach Flavius Josephus war der Gürtel des Hohenpriesters golddurchwirkt."[1]

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[1] W. J. Ouweneel, Die Offenbarung Jesu Christi, S: 156-157

14 sein Haupt aber und seine Haare waren weiss wie weisse Wolle, wie Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme

V 14 | Die Bezeichnung Seines Hauptes und Seiner Haare als „weiss wie weisse Wolle, wie Schnee“ deutet auf Seine ewige Existenz (Alpha und Omega oder von Ewigkeit zu Ewigkeit) hin. Eine weitere Bedeutung dieser Symbolik spricht von der Weisheit, Herrlichkeit und Reinheit Seines Wesens (Vgl. Jes 1,18).

„Seine Augen wie eine Feuerflamme” stellen den HERRN Jesus als den dar, der die Gemeinden prüft. Diesen Augen „wie eine Feuerflamme“ entgeht nichts; Er kennt jede einzelne der sieben Gemeinden (Vgl. Kap. 2 und 3).

15 und seine Füsse gleich glänzendem Kupfer, als glühten sie im Ofen, und seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser;

V 15 | Johannes beschreibt die Füsse Jesu als „gleich glänzendem Kupfer, als glühten sie im Ofen“. Dieses Bild weist auf das Gericht hin, denn Erz bzw. Bronze symbolisiert in der Bibel göttliches Gericht und im Feuer geprüfte Reinheit. Jesu nackte Füsse, wie es im Tempel Brauch war, zeigen Seine Heiligkeit. Obwohl Er Mensch war und durch Leiden und Kreuz wie durch Feuer ging, blieb Er vollkommen gerecht. Der Brandopferaltar im Alten Testament, der aus Holz (Menschlichkeit) bestand und mit Erz (Gerechtigkeit) überzogen war, verweist ebenfalls auf Christus und Sein Opfer. Jesus wird als Richter wiederkommen. Seine Füsse werden zwar die Erde berühren, sich aber nicht mit ihrer Sünde identifizieren, sondern diese richten. Seine Heiligkeit bleibt unberührt.

Seine Stimme wird als „Rauschen vieler Wasser” beschrieben: gewaltig, kraftvoll und unaufhaltbar – vergleichbar mit Naturgewalten wie der Sintflut. Nichts kann ihr widerstehen. So wie durch Sein Wort die Schöpfung entstand (Joh 1,3), so wird Er auch durch Sein Wort Gericht üben (Vgl. Offb 6 ff.). Dieses Gericht beginnt im Hause Gottes, dargestellt durch die sieben Gemeinden, die geläutert werden. Maleachi hatte das reinigende Feuer des Gerichts bereits beschrieben (Vgl. Mal 3,2-5).

"Kupfer ist ein Bild der herrlichen Gerechtigkeit Gottes. Das sehen wir vorbildlich bereits im Brandopferaltar, der aus Akazienholz bestand und mit Kupfer überzogen war. Darum ist der Altar ein Bild vom Herrn Jesus in seiner Menschheit. Dieser Altar konnte dem Feuer standhalten, weil er mit Kupfer überzogen war. So hat der Herr Jesus dem Feuer (ein Bild der untersuchenden Heiligkeit Gottes) standhalten können, weil Er vollkommen rein und heilig war."[1]

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[1] W. Mücher, Herrlichkeiten Jesu Christi in der Offenbarung, S: 11

16 und er hatte in seiner rechten Hand sieben Sterne, und aus seinem Mund ging hervor ein zweischneidiges, scharfes Schwert, und sein Angesicht war, wie die Sonne leuchtet in ihrer Kraft.

V 16 | Johannes sieht, wie Jesus sieben Sterne in Seiner rechten Hand hält. Diese Sterne stehen für Verantwortungsträger in den Gemeinden, die zugleich dem HERRN gehören und von Ihm getragen werden (Vgl. Offb 1,20). Aus dem Mund Jesu kommt ein scharfes, zweischneidiges Schwert – ein Symbol für das richtende Wort Gottes. Es trennt und offenbart, wie in Hebr 4,12 beschrieben, und steht für göttliche Gerichtsvollmacht (Vgl. Eph 6,17; Offb 2,12.16; 19,15.21). Zunächst wird anhand des Wortes die Gemeinde gerichtet, dann die ganze Welt (Vgl. Joh 12,48).

Zum Abschluss beschreibt Johannes das Angesicht Jesu „wie die Sonne, die in ihrer Kraft leuchtet”. Diese Herrlichkeit erinnert ihn vermutlich an das Erlebnis auf dem Berg der Verklärung (Mt 17,2). Die Sonne steht hier für höchste Autorität; Jesus ist die „Sonne der Gerechtigkeit” (Mal 3,20), die in göttlicher Kraft erscheinen wird.

Folgen der Vision – Was Johannes tat | 1,17-20

17 Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füssen nieder wie tot. Und er legte seine Rechte auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte

V 17 | Johannes sah den HERRN Jesus, den er liebte, auf eine Art und Weise, die ihm fremd war und die er noch nie zuvor gesehen hatte. Als Johannes wie tot am Boden lag, legte Jesus Seine rechte Hand auf ihn und sprach ihn an. Es ist dieselbe Hand, in der Jesus die Sterne hält. Damit er ihm die rechte Hand auflegen konnte, musste Jesus sich zu Johannes herabneigen.

Was für eine Liebe und Gnade erkennen wir doch in dieser Handlung! Sie zeigt uns diese unverdiente Gnade, die wir durch das Erlösungswerk Jesu Christi am Kreuz erlangen können.

Mit dem Ausspruch „Fürchte dich nicht”, den Johannes, als er mit Jesus unterwegs war, viele Male gehört hatte (Vgl. Mt 8,26; Mk 4,40; 5,36; Lk 5,10; 8,50; 12,32; Joh 12,15; 14,27), beginnt eine lange Rede des HERRN Jesus. Sie beinhaltet die sieben Sendschreiben an die Gemeinden in Asien (Offb 1,17b–3,22). Es zeigt den zweiten Teil der Offenbarung, nämlich das „Was ist”.

18 und der Lebendige, und ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und des Hades.

V 18 | Ein Name, mit dem sich Jesus Christus vorstellte, ist „der Lebendige“ oder auch „der Auferstandene“. Durch Seinen Tod am Kreuz hatte Jesus Christus Leben in sich selbst und gab dieses an diejenigen weiter, die sich zu Ihm hinwenden. Hier sprach Jesus Sein irdisches Leben als Mensch an, das Johannes so gut kannte. Er hatte miterlebt, wie sein HERR am Kreuz gestorben war; er war Augenzeuge beim Kreuz. Wenn Jesus sagte: „Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit”, wusste Johannes, wovon der HERR spricht. Er hatte Seinen Tod und auch Seine Auferstehung hautnah miterlebt. Durch Seinen Tod und Seine Auferstehung erhielt er vom Vater die Schlüsselvollmacht über alles (Vgl. Mt 28,18). Wenn jemand einen Schlüssel besitzt, bedeutet das, dass er Zugang und Verfügungsgewalt hat. Für Christen ist es eine grosse Sicherheit zu wissen, dass Christus die Macht des Todes überwunden hat (Vgl. Joh 11,25; 14,19).

19 Schreibe nun das, was du gesehen hast und was ist und was nach diesem geschehen wird.

V 19 | Hier wird der Schlüssel zur Einteilung der Offenbarung gegeben (wie oben in der Übersicht erläutert): „Was du gesehen hast und was ist und was nach diesem geschehen wird!” Zunächst beschreibt er das, was in der Vergangenheit geschah („was du gesehen hast“), dann das, was in der Gegenwart ist („was ist“) und schliesslich das, was in der Zukunft geschehen wird („was nach diesem geschehen wird“). Was Johannes „gesehen hatte“, bezog sich auf die Vision des verherrlichten Jesus Christus inmitten der Leuchter (Kapitel 1, Verse 9–17). Im „was ist“ soll er die Reden Jesu an die sieben Gemeinden niederschreiben (Kap. 2–3) und schliesslich das „was nach diesem geschehen wird“, in dem es um die Zukunft der Menschheitsgeschichte, der Nationen und die Ereignisse geht, die zum zweiten Kommen des HERRN Jesus Christus als König der Welt führen, mit dem anschliessenden 1000-jährigen Reich und der Aufrichtung der neuen Erde und des neuen Himmels (Kap. 4–22).

20 Das Geheimnis der sieben Sterne, die du in meiner Rechten gesehen hast, und die sieben goldenen Leuchter: Die sieben Sterne sind Engel der sieben Versammlungen, und die sieben Leuchter sind sieben Versammlungen.

V 20 | Jesus beschreibt Johannes, was Er in Seiner Rechten hält. Wie bereits erwähnt, sind mit „der Rechten” Machtanspruch, Trost und Schutz durch Jesus gemeint. Jesus hält die sieben Sterne in Seiner Rechten.

„Die sieben Sterne sind die Engel der sieben Versammlungen.” Mit den Sternen macht Jesus einen Bezug auf die Leiterschaft der einzelnen Gemeinden. Somit geht es um die Leiterschaft der jeweiligen Gemeinden. Konkret um die Leiterschaft der sieben Gemeinden in Asia. Diese Sterne werden als Engel beschrieben. Das Wort „Engel” hat die Bedeutung eines Boten oder Gesandten (Vgl. Lk 7,24; 9,52; Jak 2,25). Ein Gesandter ist dem verantwortlich, der ihn gesandt hat. Somit ist die Verantwortlichkeit dieser Person angesprochen. Entsprechend drückt die Bezeichnung „Engel der Gemeinde” symbolisch die Verantwortlichkeit der Gemeinde gegenüber Ihrem Auftraggeber (Gott) aus. Die Leiterschaft hat von Gott die Aufgabe erhalten, die Gemeinde zu führen und zu weiden. Dies ist eine grosse, schöne, aber auch herausfordernde Aufgabe (Vgl. 1 Tim 3,1–7; Tit 1,5–9).

Jesus beschrieb die Gemeinden als Leuchter. Sie werden als Leuchter bezeichnet, weil ihr Zeugnis in Wort, Wandel, Glauben und Lehre beurteilt wird (Vgl. Mt 5,14–16). Jesus ging mitten durch sie hindurch, um sie zu prüfen. Die Auswirkungen davon sind in den nachfolgenden Briefen an die sieben Gemeinden spürbar (Vgl. Kap. 2–3). Jesus sagt ihnen, was lobenswert ist, tadelt sie, ermutigt sie und gibt ihnen Ratschläge, wie sie überwinden und so an ihm festhalten können.

Wir als Gemeinde sind das Gefäss für das Licht und wollen die Herrlichkeit unseres HERRN Jesus strahlen lassen. Wir müssen in unserer Gemeinde zulassen, dass der Hohepriester Jesus Christus durch sie hindurchgeht, und Dinge, die nicht gut sind, anspricht (die Leiterschaft ist unter anderem das Werkzeug Gottes). Lassen wir uns von der Reinheit Jesu Christi anstecken und ein geheiligtes Leben führen.



 

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