Haggai Einleitung

Autor: Michael Briggeler
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Autor

Trotz dem kleinen Umfang des Buches, wird Haggai gleich neun Mal als Verfasser des Buches genannt (1,1.3.12.13; 2.1.10.13.14.20). Über ihn wissen wir sehr wenig, weder sein Alter bei der Niederschrift noch von welchem Stamm er kam. Die Bibel gibt uns lediglich zwei Hauptmerkmale zu seiner Person mit, die aber sehr richtungsweisend für das Verständnis seiner Botschaft sind.

Haggai bedeutet "mein Fest" oder "der Festliche"[1]. Es ist gut möglich, dass Haggai an einem Festtag geboren wurde und daher diesen Namen von seinen Eltern bekommen hat. Unabhängig davon ist sein Name aber eng verknüpft mit seiner Botschaft und damit mit seinem Dienst, denn seine Predigten hielt er im Zuge von Festversammlungen (Neumondfest, Laubhüttenfest, evtl. Weihfest). Die jüdischen Festversammlungen sind in Form und Ziel jedoch nicht mit Festlichkeiten in unserem heutigen Sinn zu verwechseln, denn die jüdischen Feste haben stets den Gottesdienst zum Zentrum (siehe z.B. die Anordnungen Gottes in den sieben jüdischen Festen in Lev 23). Nach (alt-) jüdischem Verständnis ist ein Fest erst ein richtiges Fest, wenn die Verkündigung von Gottes Wort und der Lobpreis für den Herrn (in Form von Opfer) die Grundlage bilden (Vgl. Neh 8,18). Der Dienst von Haggai bewegte sich also nicht in Festlichkeiten in unserem gebräuchlichen Sinn, sondern im Rahmen der Gottesdienste. Leider ist dieser Gedanke der Zusammengehörigkeit von Fest und Gottesdienst in heutiger Zeit ein wenig verloren gegangen. Oft wird der Gottesdienstbesuch mehr als eine mögliche Option betrachtet, die man erledigt und dabei denkt, man tue etwas für den Herrn. Wie anders dachte aber Paulus, der die Gottesdienste als "Festfeier" (1Kor 5,8) und damit als ein Ereignis der Freude bezeichnete!

Weiter ist auffällig, dass Haggai in den 38 Versen ganze fünf Mal als Prophet bezeichnet wird (1,1.3.12; 2,1.10; siehe auch Esr 5,1). Ein wahrer Prophet verkündet nicht seine eigene Botschaft, sondern die Worte Gottes und das wird im vorliegenden Buch auch klar sichtbar. Hier lesen wir, dass "das Wort des Herrn an Haggai erging" (2,10), dann "das Wort des Herrn durch Haggai erging" (1,1.3; 2,1) und schliesslich werden diese Worte auch "Worte des Propheten" genannt (1,12). Haggais Botschaft ist folglich die unverfälschte Botschaft des allmächtigen Schöpfers, dem Gott Israels. Dass der HERR jeweils in den Gottesdiensten zu Seinem Volk sprach, ist dabei wahrlich kein Zufall. Genau so wenig ist es ein Zufall, dass sich der überlieferte Dienst von Haggai ausschliesslich im gottesdienstlichen Rahmen bewegte. Der Gottesdienst weist in den verschiedenen Zeitaltern durchaus verschiedene Formen auf, aber das Ziel war und ist dabei immer die Begegnung des sündigen Menschen mit seinem heiligen Schöpfer. Gerade dort möchte der HERR ganz besonders zu Seinem Volk sprechen und so erstaunt es nicht, dass im Zeitalter der Gemeinde die Gnadengabe der Prophetie[2] im Zuge der lokalen Gemeindeversammlungsordnungen dargelegt wurde (1Kor 12-14).

 

Ort und Zeit der Abfassung

Die Fragen nach Ort und Zeit der Abfassung werden beide innerhalb des Buches klar beantwortet, ja gar hervorgehoben. Der Ort war an ein einzelnes Gebäude gebunden, das in allen Predigten Haggais das Zentrum bildete. Zwei Mal wurde es "Tempel" genannt (2,15.18), einmal das "Haus des HERRN" (1,2), einmal das "Haus des HERRN der Heerscharen" (1,14), fünf Mal einfach das "Haus" (1,4.8; 2,3.7.9) und einmal nannte es Gott selbst "mein Haus" (1,9). Damit kann nur der Tempel in Jerusalem gemeint gewesen sein, denn jeder dortige Tempel in der Geschichte Israels wird in der Bibel als Tempel Gottes bezeichnet, selbst der nicht von Gott angeordnete Tempel in der kommenden Trübsalszeit (2Thess 2,4; vgl. Jes 66,1-6). Dies passt zur Feststellung, dass Haggai stets an gottesdienstlichen Festversammlungen predigte, die unter dem alten Bund immer im Tempel Jerusalems stattfinden mussten (Dt 12,5.13-14).

Im vorliegenden Buch sind vier Predigten von Haggai und ein Wirkungsbericht verzeichnet, wobei stets das exakte Datum angegeben wurde:

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Der biblisch überlieferte Dienst von Haggai erstreckte sich lediglich über 112 Tage, sprich knapp dreieinhalb Monate, die alle ins Jahr 520 v.Chr. fielen. Da der weitere Bauverlauf und insbesondere die Fertigstellung des Tempels nicht erwähnt wurden, liegt es nahe, dass die Niederschrift des Buches unmittelbar nach der vierten Predigt Haggais erfolgte. Nachfolgend einige wichtige Ereignisse vor und während der biblischen Wirkungszeit Haggais, die den historischen Kontext erschliessen[3]:

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Im Zuge des Machtwechsels von den Babyloniern zu den Persern, erweckte der HERR den Geist des Perserkönigs Kyrus, so dass dieser jeden Juden dazu aufrief nach Jerusalem zu ziehen, um den Tempel wieder aufzubauen: "So spricht Kores, der König von Persien: Alle Königreiche der Erde hat der HERR, der Gott des Himmels, mir gegeben; und er hat mich beauftragt, ihm ein Haus zu bauen in Jerusalem, das in Juda ist. Wer irgend unter euch aus seinem Volk ist, mit dem sei der HERR, sein Gott; und er ziehe hinauf!" (2Chr 36,23)

Nach der Verschleppung des Südreiches nach Babylon und dem 70-jährigen Exil, galt es nun wieder ins verheissene Land zurückzukehren. Der Aufruf dazu war keine Option, sondern ein Gebot Gottes, dass Sein Volk an jenen Ort hinaufzieht (hebräisch "Alija"), wo Er sich von ihnen finden lässt. Nur rund 50'000 Juden sind diesem Ruf unter der Leiterschaft von Serubbabel und Josua gefolgt. Diese begannen sogleich mit dem Bau des Altars und dem Fundament des Tempels. Die Erweckung unter dem Überrest zeigte damit bereits erste Früchte, alsbald aber der Widerstand von Seiten der Einwohner Samarias gegen sie aufkam (Esr 4), wurden sie eingeschüchtert und liessen ab von ihrem Bauvorhaben. Die Arbeiten am Tempel beschränkten sich von nun an nur noch auf Vorbereitungsarbeiten (primär das Ausschlagen und Wiederbereiten von Steinen), die unter den Anfeindungen kein grosses Aufsehen erregten, wobei sie sich stattdessen vermehrt mit dem Bau ihrer eigenen Häuser beschäftigten. Unter König Artasasta kam der Tempelbau dann zu einem vollständigen Stillstand. Niemand kümmerte sich mehr um den Tempel, ja die ganze Stadt Jerusalem blieb brach liegen. Lediglich der Altar und das Fundament des Tempels waren gebaut, um zumindest die Gottesdienste feiern zu können. Unter König Darius I. liess der Widerstand zwar nach und die Juden wurden von ihm sogar dazu motiviert den Tempelbau fortzusetzen, aber in die anfängliche Erweckung des Überrestes hatte sich eine grosse Trägheit eingeschlichen. In diese Zeit der Trägheit und der falschen Prioritäten, stand der Prophet Haggai mit seiner ersten Predigt auf, rund 16 Jahre nach dem guten Start mit dem Bau des Altars und der Grundsteinlegung des Tempels.

 

Absicht und Anwendung für die Gemeinde Christi

Die kurze Wirkungszeit Haggais (zumindest so wie sie uns überliefert ist), hatte einzig und allein die Wiederaufnahme des Tempelbaus zum Ziel. Seine Absicht war es den Aufruf Gottes, den der HERR zuvor durch König Kores durch das ganze persische Königreich erschallen liess, wieder in Erinnerung zu rufen. Die Prioritäten des jüdischen Überrestes hatten sich nach der anfänglichen Erweckung verschoben und mussten nun wieder an ihren von Gott festgelegten Platz zurückgestellt werden. Mit anderen Worten ging es um das ewig gültige Prinzip, das der HERR Jesus in seiner Bergpredigt wie folgt formulierte: "Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden." (Mt 6,33)

In jedem Zeitalter hat Gott eine bestimmte Haushaltung mit unterschiedlichen Gesetzen und Prinzipien gesetzt. Haggai wirkte im Zeitalter des mosaischen Gesetzes und so galten für seine Generation die Bestimmungen Gottes vom Sinai, um nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit zu trachten. Aus diesem Grund durchzieht das mosaische Gesetz das Buch Haggai, ja der Bund vom Sinai bildet zusammen mit dem Heiligen Geist sogar das Herzstück des ganzen Buches (2,5). Für jene Generation wirkte das Tun-Ergehen Prinzip[4] auf Grundlage dieses Bundes vom Sinai und das muss in der Anwendung für den Christusgläubigen zwingend berücksichtigt werden.

Auch wenn dieses Buch für einige lediglich einen Baubericht des zweiten Tempels darstellt, so hat diese kleine Schrift dem Gläubigen der Gemeinde enorm viel zu sagen. Dazu müssen die Belehrungen lediglich auf den Tempelbau des Gemeindezeitalters übertragen werden und von diesem Tempelbau spricht das NT an einigen Stellen. Dort sind die Christusgläubigen lebendige Steine (1Pt 2,5), die auf den Eckstein Jesus Christus und die Grundlage der Apostel und Propheten zu einem heiligen Tempel im HERRN und damit zu einer Behausung Gottes im Geist aufgebaut werden (Eph 2,20-21). Es ist die Gemeinde, die das Haus Gottes im aktuellen Zeitalter bildet (1Tim 3,15) und so gilt dem Christusgläubigen das Gesetz Christi (Vgl. Gal 6,2), um nach dem Reich Gottes und Seiner Gerechtigkeit zu trachten.

Es ist aber nicht nur der Tun-Anteil des Tun-Ergehen Prinzips, der im Gemeindezeitalter anders ist, sondern auch der Ergehen-Anteil. Die Segnungen unter dem Alten Bund waren in weiten Teilen irdische Segnungen (Dt 28,1-14), wohingegen die Gemeinde lediglich den geistlichen Segnungen des Neuen Bundes teilhaftig geworden sind (Röm 15,27). Diese sind dafür dem Christusgläubigen bereits bei der Bekehrung gegeben (Vgl. Eph 1,3) und sollen nur noch festgehalten und verteidigt werden.

All diese Unterschiede müssen beachtet werden, damit wir das Wort Gottes in gerader Richtung schneiden (2Tim 2,15) und damit die richtigen Schlüsse aus den Belehrungen Haggais für die Gemeinde ziehen. Tun wir das noch dazu mit einem offenen Herzen, dann erwecken die Predigten Haggais in uns immer wieder eine neue und brennende Liebe für den Bau der Gemeinde. Kein Buch der Bibel lehrt uns so vieles über die Priorität der Gemeindearbeit wie das Buch Haggai und diese Botschaft sollte zwingend unsere Herzen erreichen, denn auch uns gilt: Alija!

 

Struktur

Durch die vier Predigten und dem einen Wirkungsbericht, teilt sich das Buch Haggai selbst in fünf Abschnitte. Diese sind in einer typisch hebräischen Spiegelstruktur angeordnet:

A Erste Predigt: Aufruf zum Bau des Tempels (1,1-11)

     B Wirkungsbericht: Gehorsam des Volkes (1,12-15)

          C Zweite Predigt: Die kommende Herrlichkeit des Tempels (2,1-9)

     B’ Dritte Predigt: Segen durch Gehorsam des Volkes (2,10-19)

A’ Vierte Predigt: Verheissung zum Bau des Tempels (2,20-23)

Bei der Spiegelstruktur sind alle Abschnitte gleichwertig, doch thematisch sind sie immer ins Zentrum gerichtet. So sehen wir bei Haggai einen Aufruf zum Bau des Tempels, der sich in einer persönlichen Verheissung zum Bau des Tempels spiegelt. Der Gehorsam des Volkes spiegelt sich wiederum mit dem Segen, der durch jenen Gehorsam kommt. In der Mitte lernen wir jedoch, dass auch wenn Gott den Menschen gebraucht, um sein Haus zu bauen, dass es allein Er ist, der es mit Herrlichkeit füllt. Der Mensch ohne Gott vermag nichts (Vgl. Joh 15,5), er ist in jeder Hinsicht auf Seine Bündnisse, Seine Treue, Seine Barmherzigkeit, Seine Güte, Seine Gnade, Seine Liebe und in Bezug auf den Bau des Hauses Gottes besonders auf Seine Gegenwart durch den Heiligen Geist angewiesen. Von dort aus geschieht der Aufruf zum Bau des Tempels und von dort entspringt die Verheissung zum Bau des Tempels. Von dort aus kann der Mensch überhaupt erst gehorsam sein und den Segen Gottes erfahren. Von Ihm kommt alle Herrlichkeit und Ihm gehört alle Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit (1Tim 1,17).

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[1] Hebräisch "Chaggaj" von der Wurzel "Chag" = Fest.

[2] Je nach Übersetzung auch Weissagung genannt. Im griechischen lautet das Substantiv "propheteia" und das Verb "propheteuo".

[3] Diese Tabelle ist ein Auszug aus der Tabelle "Nach-exilische Ereignisse.pdf", die Reinhard Briggeler im Zuge des Propheten Sacharja in Stage ONE erstellt hat.

[4] Der HERR handelt mit dem Menschen immer in einem Tun-Ergehen Prinzip. Das bedeutet, dass Gott entsprechend dem Gehorsam oder dem Ungehorsam des Menschen unterschiedlich mit ihm umgeht.



 

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© Bibeltext: Elberfelder Übersetzung (Edition CSV Hückeswagen), © Christliche Schriftenverbreitung, Hückeswagen, alle Rechte vorbehalten, www.csv-bibel.de

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